Der Discounter Aldi ist ebenso erfolgreich wie geheimniskrämerisch. Seit Jahrzehnten scheuen die Handelsriesen Aldi-Süd und Aldi-Nord die Öffentlichkeit. Zumindest im Süden könnte sich das nun ändern: der neue Chef Roman Heini hat sich mit aggressiven Werbekampagnen und Interviews einen Namen gemacht. Bricht er nun das Schweigegebot? Von Mirjam Hecking für Manager-Magazin.de .
Hamburg - Die Discounter Aldi-Süd und Aldi-Nord gehören zu den verschwiegensten Unternehmen der deutschen Wirtschaft. Detaillierte Geschäftszahlen, öffentliche Auftritte - Fehlanzeige. Bilder der Gründer Theo und Karl äußerst rar. Selbst das Geburtsdatum des Aldi-Mitgründers Theo Albrecht war lange unbekannt. Wer dem Clan zu nahe rückte, lief Gefahr, sich die Finger zu verbrennen und juristisch belangt zu werden.
Diese Strategie scheint nun zu bröckeln. Nicht nur, dass Aldi-Süd mittlerweile eine Presseabteilung eingerichtet hat und sogar ein eigenes Kundenmagazin herausgibt. Seit 2013 tummelt sich der Discounter auch auf Facebook, wo er sich mit Filmen über Aldi-Modedrehs um Kundennähe bemüht.
Von wirklicher Transparenz ist der deutsche Traditionshändler allerdings noch weit entfernt - sowohl im Norden als auch im Süden.
Doch im Süden gibt es nun Hoffnung, dass sich das womöglich ändern könnte. Anlass für die Hoffnung auf „Glasnost“ bei Aldi ist ein Wechsel in der Führungsspitze.
Am 1. April rückt mit dem gebürtigen Donaueschinger Roman Heini ein Manager an die Spitze des Verwaltungsrates von Aldi-Süd, der an der eigenen Haut erfahren hat, was es bringen kann, sich zu öffnen und von der Verschlossene-Auster-Strategie abzuweichen.
Der erst 38-jähige Heini, der von einem Hof in Vöhrenbach im Schwarzwald stammt, ist ein Aldi-Eigengewächs. In seinen rund 18 Jahren bei dem Discounter hat er eine beachtliche Karriere hingelegt. Der Süddeutsche, der schon mit 20 bei Aldi anheuerte, begann seine Karriere in Donaueschingen, wo der Albrecht-Clan mit dem Öschberghof seit Mitte der 70er ein eigenes Hotel betreibt.
Von der Schweiz nach Großbritannien
Später trieb er als operativer Leiter von Aldi Suisse die Expansion des Discounters in der Schweiz voran, bevor er für den Süd-Ableger des Discounters nach Großbritannien wechselte. Dort schrieb er zusammen mit seinem Co-Geschäftsführer Matthew Barnes eine echte Erfolgsstory.
Aldi war zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Jahre auf der Insel - allerdings ohne den Weg raus aus der in Großbritannien sehr schmalen Discount-Nische zu schaffen. Barnes und Heini gingen der Frage nach dem Warum auf den Grund - und kamen zu ein paar grundlegenden Schlüssen.
Das Angebot war zu eingeschränkt (oder wurde zumindest so wahr genommen), Aldi war zu wenig britisch, und die Kunden konnten mit dem Aldi-Konzept nicht wirklich etwas anfangen.
Grund genug für Barnes und Heini, das zu ändern: Sie erweiterten ihr Angebot - nahmen mehr Frisches, mehr britische Produkte und zu den Feiertagen sogar Luxusprodukte wie Kaviar, oder Hummer ins Programm - ohne dabei jedoch ihre Discountprinzipien und die starke Konzentration auf lukrative Eigenmarken aufzugeben.
Und sie rührten fleißig die Werbetrommel.
Aldi schaltete Anzeigen und TV-Werbespots, in denen der Discounter unermüdlich seine Preisführerschaft und die „Britishness“ seines Angebots pries. Und legte sich dafür sogar mit der Konkurrenz an.
Aldi in nahbar
Zudem öffneten sich Barnes und Heini gegenüber den Medien in einem Ausmaß, wie es in Deutschland bislang undenkbar wäre. In Interviews erklärten Heini und Barnes der Öffentlichkeit das Prinzip Aldi, nahmen an Preisverleihungen teil und plauderten öffentlich über die Freundschaft zwischen ihren Familien. Und als bekannt wird, dass sich beiden von ihrem Arbeitgeber Immobilienkredite haben gewähren lassen, äußert sich dazu sogar ein Aldi-Sprecher.
„Sie haben einfach gemerkt, dass man nicht ohne kann“, kommentiert Denise Klug von Branchendienst Planet Retail die neue Offenheit in Großbritannien.
Die Aktionen stoßen auf offene Ohren - denn sie kommen zur richtigen Zeit. Die Finanz- und die anschließende Eurokrise haben auch in Großbritannien Spuren hinterlassen. Die Regierung muss sparen - und die Bürger spüren die Konsequenzen in ihren eigenen Geldbörsen. Sparen ist angesagt. So sehr, dass viele Briten, die eigentlich dem Discountprinzip traditionell kritisch gegenüber eingestellt sind, Aldi dann doch eine Chance geben.
Heini und Barnes ergreifen sie mit beiden Händen. Und die Rechnung geht auf. Der Umsatz klettert zweistellig, der operative Gewinn auch. Und auch der Marktanteil schnellt in die Höhe.
Großangriff in Großbritannien
Laut dem Marktforscher Kantar kommt der Discounter in Großbritannien mittlerweile auf einen Marktanteil von knapp 5 Prozent. Alleine im vergangenen Jahr hat er laut Nielsen eine Million neuer Kunden dazugewonnen haben, während die Konkurrenz verzweifelt versucht, dem deutschen Wettbewerber mit teuer erkauften Preissenkungen Paroli zu bieten.
Und Aldi ist noch lange nicht am Ende. Bis 2022 will der Discounter die Anzahl seiner Filialen auf dann mehr als 1000 verdoppeln.
Und um in den Herzen der Briten endgültig einen festen Platz zu bekommen, schloss der Discounter erst kürzlich einen Sponsoring-Vertrag für das britische Olympiateam für die Sommerspiele 2016. Ein Engagement, das von Beobachtern auf einen Wert von bis zu zehn Millionen Pfund schätzen.
Doch der Deutsche Roman Heini wird dies künftig aus der Entfernung begleiten. Um das Fortkommen von Aldi UK und Irland wird sich künftig Barnes alleine kümmern. Heini kehrt zurück in die Heimat und rückt als Sprecher an die Spitze des dreiköpfigen Aldi -Verwaltungsrates, der die Geschäfte der 31 deutschen Regionalgesellschaften von Aldi-Süd koordiniert.
Wie weit er seine Transparenz-Erfahrungen nach Deutschland reimportieren wird, bleibt abzuwarten. Das Aldi-Konzept erklären, wie in Großbritannien, muss der Discounter hierzulande nicht, meint der ehemalige Aldi-Manager Dieter Brandes „Hier ist das Aldi-Prinzip zu genüge bekannt.“
Auch dass Discount-Konkurrent Lidl, der in den vergangenen Monaten so manchen Wandel in der Discountbranche angestoßen hat, seine Verschwiegenheit plötzlich aufgibt und Aldi sich gezwungen sieht, nachzuziehen, ist nicht zu erwarten. Aber vielleicht hat Heini in Großbritannien ja gemerkt, dass anders und offener nicht unbedingt schlechter ist.
Ich sehe gleiches hier in Barcelona mit LIDL! Scheint im Trend zu liegen. Liebe Grüsse, Jenni