US-Energieminister Ernest Moniz hofft beim Weltklimagipfel in Paris auf den großen Durchbruch. Das ZEIT-Interview.
DIE ZEIT: Mr. Moniz, in den vergangenen Monaten waren Sie ständig in Europa, um über das iranische Atomprogramm zu verhandeln. Im April wurden Eckpunkte für eine Einigung vereinbart. Bis Ende Juni soll ein Abkommen stehen. Wird das was?
Ernest Moniz: Ich bin optimistisch. Die Beschlüsse vom 2. April waren sehr konkret. Uns stehen noch harte Verhandlungen bevor, etwa darüber, unter welchen Bedingungen die Sanktionen fallen.
ZEIT: Was sind die größten Hindernisse, die noch aus dem Weg geräumt werden müssen?
Moniz: Ich sehe keine ganz großen Hindernisse, die der Unterzeichnung entgegenstehen. Um danach allerdings die Aufhebung der Sanktionen auszulösen, werden die Iraner eine Menge tun müssen: etwa ihren Bestand an angereichertem Uran von 10 000 auf 300 Kilogramm reduzieren und von den 19 000 Zentrifugen 13 000 unter internationaler Kontrolle stilllegen.
ZEIT: Die USA sind auf Energie-Importe aus dem Nahen Osten immer weniger angewiesen, weil Sie dank der sogenannten Fracking-Revolution immer mehr Erdgas und Erdöl selbst fördern …
Moniz: … mit enormen Folgen für die Energiesicherheit und unsere Wirtschaft. Ich habe hier eine wunderbare neue Studie (blättert): Schauen Sie mal, dank des Gas-Booms sind bei uns in fünf Jahren 400 neue Industrieprojekte entstanden. Denn die Energiepreise in den USA sind dramatisch niedriger als in Japan oder Europa. Ohne das Schiefergas hingegen müssten wir im großen Stil LNG, also verflüssigtes Erdgas, einführen.
ZEIT: Stattdessen schwelgen Sie nun im Überfluss. Was werden Sie damit machen? Jahrzehntelang war der Export von Gas und Öl für die USA ein Tabu.
Moniz: Anfang nächsten Jahres werden wir anfangen, LNG auszuführen. Die Chancen stehen gut, dass wir bis Ende des Jahrzehnts das Niveau von Katar erreichen, dem größten LNG-Exporteur der Welt.
ZEIT: Was kriegt Europa davon ab?
Moniz: Die Regierung stellt nur Exportgenehmigungen aus. Ob das Gas nach Japan, Indien oder Europa verkauft wird, entscheiden die Unternehmen. Fest steht aber: Es wird mehr Gas auf die internationalen Märkte kommen. Das ist gut für alle Importeure und für die Energiesicherheit insgesamt.
ZEIT: Kürzlich hat der US-Kongress das Ausfuhrverbot für Erdöl gelockert. Werden sie auch hier vom Groß-Einkäufer zum -Verkäufer?
Moniz: Wir importieren täglich netto noch immer 4,5 Millionen Fass Rohöl, ein Fass sind 159 Liter, aber bei verarbeiteten Ölprodukten führen wir schon mehr aus als ein.
ZEIT: Führt der Boom daheim dazu, dass sich die USA im Nahen Osten zurückziehen?
Moniz: Nein. Erstens: Selbst wenn wir unsere Ölimporte fast auf null herunterbringen würden, wären wir immer noch den globalen Preisschwankungen ausgesetzt. Zweitens sind wir kollektiv für Energiesicherheit verantwortlich. Gerät die Versorgung unserer Bündnispartner in Gefahr, ist das auch ein Sicherheitsproblem für uns. Drittens gehen unsere Interessen im Nahen Osten weit über Öl hinaus.
ZEIT: Der Ölpreis ist in den vergangenen Monaten abgestürzt: von 110 auf zeitweise unter 50 Dollar je Fass. Wie hat sich der Crash auf die US-Energieindustrie ausgewirkt?
Moniz: Viele Unternehmen haben ihre langfristigen Investitionen zurückgefahren. Die Förderung wird dennoch wohl auch dieses Jahr weiter wachsen: auf etwa 9,3 Millionen Fass pro Tag. Zudem ist der Preis für die Sorte Brent auch schon wieder auf etwa 70 Dollar gestiegen.
ZEIT: Marktexperten sprechen von einer Machtverschiebung. Ihnen zufolge sind die USA auf bestem Weg, Saudi-Arabien als »Swing State« abzulösen: dem Land, das seine Förderung nach Belieben herauf- oder hinabfahren und so den Weltmarktpreis beeinflussen kann.
Moniz: Eine Reihe Unternehmen haben Bohrungen gestartet und wegen des Preisrückgangs unterbrochen. Die können sie schnell wieder aufnehmen, sobald die Kurse steigen. Aber eine nationale Politik dafür gibt es bei uns nicht, die Firmen entscheiden selbst.
ZEIT: Auch in Europa ließe sich eine Menge Öl und Gas mit Fracking aus dem Boden holen. Doch die meisten Staaten verzichten, auch wegen massiver Bürgerproteste. Können Sie das nachvollziehen?
Moniz: In den USA haben wir einen ungeheuren Wirtschaftsboom erlebt; viele Jobs sind entstanden. Und die Auswirkungen auf die Umwelt sind größtenteils eingedämmt worden. Dennoch muss der ökologische Fußabdruck der neuen Technologien verbessert werden. Vergessen Sie nicht: Auch bei uns gibt es Bundesstaaten wie New York, die Fracking ablehnen. Letztlich muss jede Nation selbst für sich entscheiden.
ZEIT: Ihr Land schwelgt im Fossile-Energien-Rausch. Aber was wird aus dem Weltklima?
Moniz: Wir ersetzen Kohle durch Gas, das in weniger CO2-intensiven Kraftwerken verbrannt wird. Zudem hat sich die Kapazität der Windkraftanlagen in den vergangenen fünf oder sechs Jahren verdreifacht. Zurzeit kommen 13 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Energien, bis 2025 wollen wir 26 Prozent erreichen. Schließlich planen wir den Neubau von fünf neuen Atomkraftwerken in den nächsten Jahren, allerdings sind seit 2013 auch fünf Anlagen geschlossen worden.
ZEIT: Ende 2014 haben Ihr Chef Barack Obama und Chinas Präsident Xi Jinping gemeinsam vereinbart, den Ausstoß an Treibhausgasen beider Länder einzudämmen. Diesen November steht die Weltklimakonferenz in Paris an. Werden die beiden Supermächte auf ein Abkommen hinwirken, mit dem es endlich gelingt, die weltweiten Emissionen zu begrenzen?
Moniz: Das Obama-Xi-Abkommen war historisch, es hat die globale Diskussion richtungsweisend verändert. Die Einsicht, dass ambitionierte Vorschläge zur CO&sub2;-Reduktion notwendig sind, hat sich weit verbreitet. Auch Europa, Mexiko und andere Staaten haben ehrgeizige Ankündigungen gemacht. Es ist nicht sicher, dass wir in Paris Erfolg haben, aber die Bühne ist bereitet. Besonders wichtig sind jetzt Technologie und Innovation. Nur wenn die Kosten für alternative Energien verringert werden, können die ärmsten Länder teilhaben. Technologie könnte uns helfen, die Welt zu retten.
***
Ernest Moniz
Seit 2013 ist der Sohn portugiesischer Einwanderer US- Energieminister. Zuvor war der Atomphysiker Professor am MIT. Energie ist Moniz’ Lebensthema. Der heute 70-Jährige beriet unter anderem die Ölmultis Shell und Chevron.