Als die Spielverderberin an die Reihe kommt, hat Donald Trump den Kohlekumpeln schon dreimal eine sichere Zukunft versprochen. »Wir werden die Kohleindustrie retten. Wir werden die Kohleindustrie retten, glauben Sie mir. Wir werden sie retten«, hat er gerufen, ohne einmal Luft zu holen. Seine Zuhörer in Bismarck, North Dakota, haben seine erste Rede zur Energiepolitik bejubelt. Aber auf der Pressekonferenz danach ergreift Leigh Paterson das Mikrofon. Die vielen Schließungen von US-Kohleminen, so klärt die Fachjournalistin auf, seien vor allem auf fallende Preise für Alternativen sowie die nachlassende weltweite Kohlenachfrage zurückzuführen. Und dann fragt Paterson Trump: »Was würden Sie gegen die Kräfte des Marktes tun?«
Trump zuckt mit den Schultern. »Nun, die Kräfte des Marktes werden so sein, wie immer sie sind. Alles, was ich machen kann, ist, die Kohle zu befreien«, räumt der Präsidentschaftskandidat zögernd ein, er meint: von Umweltgesetzen. Dann fügt er hinzu: »Für mich ist die Kraft des Marktes eine schöne Kraft.« Dabei ist just sie dafür verantwortlich, dass fünf führende US-Kohlekonzerne zuletzt ihren Bankrott erklärt haben. Denn die schärferen Umweltgesetze, die Trump so gerne anprangert, sind noch gar nicht in Kraft.
Erdgas verdrängt die Kohle als wichtigsten Brennstoff der US-Kraftwerke, weil es preiswerter ist. Und just dieses billige Fracking-Gas, das der Kohleindustrie ihr Geschäft kaputt macht, will Trump noch stärker fördern: um Amerika »energieunabhängig« von ausländischen Öl- und Gaslieferungen zu machen. Was ihn nicht daran hindert, den Bau der umstrittenen Keystone-Pipeline zu fordern – die im großen Stil Erdöl aus Kanada in die USA liefern soll.
Warum stellt Clintons Trumps wirre Ideen nicht bloß?
Der Pipelinebetreiber TransCanada, so verlangt Trump, solle dafür dem »Volk der Vereinigten Staaten« einen »bedeutenden Teil seiner Gewinne« abdrücken müssen. Venezuelas Hardcore-Sozialist Hugo Chávez hätte es nicht schöner formulieren können als der Multimilliardär, der sich sonst gerne als Apostel der freien Marktwirtschaft präsentiert. Und zwischen all diesen widersprüchlichen Forderungen behauptet Trump auch noch, Amerika habe anderthalbmal so viel Erdöl wie alle Opec-Staaten zusammen. Laut der US-Energiebehörde EIA sind allein Saudi-Arabiens Reserven sechsmal so groß wie die der USA.
So viel Unsinn sollte eine Steilvorlage sein für Trumps Gegnerin. Doch Hillary Clinton spricht kaum über politische Inhalte, wenn sie Trump attackiert. Lieber stellt sie ihn als frauenfeindlichen, windigen Geschäftsmann dar und lässt Videoclips zusammenschneiden, in denen Republikaner einst Vorbehalte gegen Trump äußerten. Viele dieser Promis stellen sich längst hinter ihn, nun, da er Kandidat wird.
All das gehört zum Wahlkampf dazu, ohne simple Botschaften geht es nicht. Aber dieses Geschäft beherrscht der Populist Trump besser als »crooked Hillary«, die »korrupte Hillary«, wie er sie ständig nennt. Der Spitzname trifft Clintons verwundbarste Stelle. Sie gilt vielen Wählern als Polit-Insiderin, verstrickt in undurchsichtige Seilschaften in Washington.
Clinton kann und soll es nicht leugnen: Sie ist Politikprofi und hat sich jahrelang mit konkreten politischen Inhalten auseinandergesetzt. Sie hat Erfahrung damit, wie Gesetzgebung, die Suche nach Kompromissen und internationale Verhandlungen funktionieren. Und sie hat ein halbwegs schlüssiges Konzept für eine künftige Energie-, Umwelt- und Klimapolitik der USA. Nur: Warum stellt sie es nicht vor – und Trumps wirre Ideen bloß? Aus Angst, die Wähler mit Sachargumenten zu langweilen?
Trump, Frauke Petry, Norbert Hofer: Vielen Stars der »neuen Rechten« fehlt die inhaltliche Tiefe – gerade bei komplexen Wirtschaftsthemen. Österreichs FPÖ etwa verspricht höhere Renten, niedrigere Steuern und trotzdem einen ausgeglichenen Staatshaushalt. Und die AfD propagiert zwar soziale Gerechtigkeit, spricht sich aber im Programm für eine möglichst geringe Staatsquote aus. So will sie die Vermögens- und die Erbschaftsteuer abschaffen, wovon vor allem die Reichen profitieren würden. Trotz dieser Widersprüche wählten 37 Prozent der Arbeiter und Arbeitslosen bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt die Rechtspopulisten. Wahrscheinlich kannten die wenigsten die Steuerpläne der AfD – weil die anderen Parteien diese kaum thematisierten.
Clinton könnte Trump viele lästige Fragen stellen. Was etwa soll passieren mit noch mehr Fracking-Gas und Kohle? Schon jetzt lässt die Überproduktion die Preise beider Rohstoffe auf den freien Märkten abstürzen. Wie das Energieportal SNL berichtet, fragte Trump kürzlich den Kohlemanager Robert Murray um Rat, wie sich das Dilemma lösen lasse. Murray schlug vor, Ausfuhrbeschränkungen für LNG (verflüssigtes Erdgas) zu lockern. Trump habe die Idee für gut befunden, erzählt Murray. Aber dann habe ihm der Präsident in spe noch eine kleine Fachfrage gestellt: »Was ist LNG?«