Sharing-Economy-Unternehmen behaupten, ihnen ginge es um eine bessere Welt. Tatsächlich wollen Sie vor allem eines: Geld machen. Notfalls auf Kosten anderer. Dazu kaufen sie sich Einfluss. Von Matthias Thieme, Helene Laube, Sabine Muscat, Marina Zapf und Claus Hecking für Capital
Es ist ein kleiner Rückschlag für das Geschäftsmodell der „Sharing-Economy“: Das Landgericht Frankfurt hat gegen den Fahrdienst Uber eine einstweilige Verfügung erlassen - und Uber damit vorläufig das Geschäft in ganz Deutschland gestoppt. Ohne eine offizielle Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz dürfe das Unternehmen keine Fahrgäste mehr über seine Apps „Uber“ und „UberPop“ befördern, ordnete das Gericht an. Bei Zuwiderhandlung droht der Firma ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro, oder den Verantwortlichen eine Ordnungshaft.
Für den selbstbewussten Uber-Chef Travis Kalanick ist das keine Option. Er sehe sein Unternehmen in einem Kampf gegen ein „Arschloch namens Taxi“, sagte er vor kurzem. Nun ließ Uber mitteilen, das Gericht habe „die einstweilige Verfügung zu Unrecht erlassen“. Uber werde gegen den Beschluss Widerspruch einlegen, alle Rechtsmittel ausschöpfen und seine Tätigkeit in ganz Deutschland fortführen. Und noch etwas teilte das Unternehmen Uber dem Gericht und der Öffentlichkeit trotzig mit: „Die Wahlmöglichkeiten der Bevölkerung einzuschränken, war noch nie eine gute Idee“ - als bräche gleich eine kommunistische Diktatur aus, wenn ein Gericht das Unternehmen zur Einhaltung von bestehenden Gesetzen zwingt.
Das ist der Sound der Sharing-Economy, die ihre Kunden gerne zu Mitstreitern einer höheren Idee machen würde: der Ökonomie des Teilens. Das Prinzip: Die Menschen sollen weniger besitzen, dafür über das Internet mehr tauschen, leihen und – teilen. Autos, Bohrmaschinen, Bücher oder Wohnungen. Eine schöne Idee. Eine Gesellschaft, in der nicht alle alles besitzen müssen, sondern es sich bei Bedarf leihen, braucht weniger Ressourcen.
Hunderte junger Internetfirmen haben diese Idee weltweit in die Tat umgesetzt. Die Geschäftsmodelle sind simpel. Die Firmen bringen übers Internet Menschen zusammen, die etwas besitzen, und solche, die gern etwas mieten würden; für die Vermittlung nehmen sie eine Gebühr. Zum Beispiel Airbnb, die erfolgreichste Online-Plattform für private Übernachtungsmöglichkeiten. Was 2008 in San Francisco mit einer Luftmatratze (airbed) und einem selbst gemachten Frühstück (breakfast) für private Gäste begann, ist längst eine globale Marke geworden: ein mit fast 800 Mio. Dollar Wagniskapital gerüsteter Konzern, bei dem es mehr als 700 000 Unterkünfte in rund 35 000 Städten weltweit gibt.
Oder Uber. Das Unternehmen, ebenfalls aus San Francisco, vermittelt über seine Website und seine App Fahrgäste an private Fahrer. Der Preis wird über die App von der Kreditkarte abgebucht, Uber bekommt davon 20 Prozent. Da bei Uber viele Kosten entfallen, die Taxiunternehmen entstehen, sind die Preise oft günstiger als bei Taxifahrten. In Städten wie New York, in denen das Motzen über den furchtbaren Taxiservice zum guten Ton gehört, bieten sie außerdem ein neues Fahrerlebnis: freundliche Fahrer, die pünktlich zum vereinbarten Ort kommen – und deren Anfahrt man auf der App verfolgen kann.
Uber, Airbnb und viele andere Anbieter sind binnen weniger Jahre von kleinen Start-ups zu ernst zu nehmenden Firmen gewachsen. Sie haben enorm viel Kapital eingesammelt und aus der hehren Idee des Teilens eine zündende Marketingstory gemacht. Hinter der Rhetorik von einer besseren Welt allerdings geht es auch bei ihnen ganz einfach – ums Geschäft. Und damit das reibungslos läuft, bringen die Firmen derzeit weltweit Lobbyisten in Stellung, die die letzten Hindernisse zwischen ihnen und dem ganz großen Geld aus dem Weg räumen sollen.
Ferienwohnung für immer
San Francisco, kurz nach 22 Uhr. Jordan Morrison (Name von der Red. geändert) parkt seinen Toyota vor einem Wohnblock nahe der Bay Bridge im Halteverbot. Er rennt hoch zu einer Wohnung im ersten Stock, die ein Tourist aus Los Angeles für drei Tage gemietet hat. Morrison checkt die Wohnung kurz, nimmt den Schlüssel in Empfang und verabschiedet den Gast. Kaum im Auto, ruft eine aufgeregte Frau an. Sie hat das Tor zufallen lassen und kommt nicht mehr in ihre Ferienwohnung. Ob Morrison nicht mal eben vorbeikommen könnte?
Der 35-jährige Kalifornier kümmert sich für die Besitzer mehrerer Wohnungen in San Francisco um die Vermietung von Zimmern an Airbnb-Gäste: Ein- und auschecken, Schlüsselübergaben, Reinigungspersonal organisieren und auch mal einen Abfluss reparieren. „Ich bin für meine Auftraggeber Concierge und mehr“, sagt Morrison. Solche Auftraggeber gibt es in San Francisco immer häufiger. Sie verwandeln normalen Wohnraum in kurzfristig anmietbare Übernachtungsmöglichkeiten.
Überwiegend, betont Airbnb, fänden sich auf ihrer Plattform Privatleute, die ihre Bleibe zwischendurch an Touristen vermieten. In der Stadt, in der Airbnb sich vor sechs Jahren gründete, mag das allerdings niemand mehr so recht glauben. Die Zeitung „San Francisco Chronicle„ hat im Juni festgestellt, dass knapp 3000 der insgesamt 4798 Annoncen in San Francisco komplette Häuser und Wohnungen betrafen. Die Tatsache aber, dass bei fast einem Drittel der Anzeigen (1526) die jeweiligen Gastgeber zwei oder mehr Immobilien auf ihrem Profil anboten, weist darauf hin, dass hier nicht nur Privatleute ihre eigenen Apartments zur Verfügung stellen – sondern Wohnungen ganzjährig als Pension betrieben werden. In San Francisco, einer Stadt, in der die Mieten in den letzten Jahren schmerzhaft gestiegen sind, sorgten die Zahlen für Empörung. Der Vorwurf: Massenhaft erschwingliche Immobilien würden dem Mietmarkt entzogen, weil sie durch Airbnb zu einer Art Gelddruckmaschine werden.
Es ist für beide Seiten ein gutes Geschäft. Das Einstellen von Unterkünften bei Airbnb ist kostenlos. Eine Gebühr fällt erst bei einer tatsächlichen Vermittlung an: Gastgeber bezahlen 3 Prozent und der Gast 6 bis 12 Prozent von der Miete. Auch die Vermieter verdienen, besonders in gefragten Großstadtvierteln: Mit der tage- oder wochenweisen Vermietung lassen sich so viel höhere Preise erzielen, dass es sich sogar lohnt, Wohnungen selbst anzumieten, einzurichten und dann als Ferienwohnungen anzubieten.
Airbnb bleibt vage, wenn man auf ihrer Seite eine genauere Übersicht über die von ihnen angebotenen Wohnungen haben will. Um herauszufinden, ob auch in deutschen Großstädten ein ähnlicher grauer Mietmarkt wächst wie in San Francisco, hat Capital die Daten der Plattform ausgelesen und ausgewertet. Allein in Berlin fanden sich knapp 6000 komplette Wohnungen und Häuser, die jederzeit von Touristen gemietet werden können und dem regulären Mietmarkt damit wohl entzogen sind. Bei 438 Vermietern fanden sich zwei oder mehr Wohnungen im Angebot, bei einzelnen sogar bis zu 73.
Aber sind diese Angebote eigentlich legal? Nun ja.
GESETZESLÜCKEN
Berlin. Hassan Dogan (Name v. d. Red. geändert), Chauffeur für Uber, hat über die App einen Auftrag bekommen. Am Treffpunkt steigt der Fahrgast auf den Rücksitz seines mausgrauen Opels, über den Dogan eine türkisfarbene Decke gebreitet hat. Eine geregelte Arbeit hat er gerade nicht, sagt er. Stattdessen fährt er. Um bei Uber anzuheuern, brauchte er ein polizeiliches Führungszeugnis, ein Auto, Führerschein und Englischkenntnisse. Sonst nichts. Keinen Personenbeförderungsschein, kein Fahrzeug in der vorgeschriebenen Farbe „hellelfenbein“, kein geeichtes Taxameter, keine behördlich erteilte Ordnungsnummer. Er hat sein Smartphone und die Uber-App. Das reicht zum losfahren.
Uber wirbt etwa in New York damit, dass ihr Service rund 20 Prozent billiger sei als ein gewöhnliches Taxi. Natürlich setzt das traditionelle Taxifirmen unter Druck. Erst im Juni streikten weltweit Taxifahrer. Der Vorwurf: Firmen wie Uber könnten nur darum so günstig fahren, weil sie sich nicht mit den Dutzenden Vorschrifen herumschlagen müssten, denen der öffentliche Personennahverkehr normalerweise unterliegt.
Tatsächlich wollen Uber oder Airbnbn nur als Technologiefirmen gesehen werden, sie gehören deshalb auch keinem Hotel- oder Taxiverband an. Der üblichen Regulierung entgehen sie damit elegant. Sie haben ihr Geschäftsmodell mit der Nonchalance des Silicon Valley entwickelt: erst mal machen. Es ist einfacher, hinterher Besserung zu geloben, als vorher um Erlaubnis zu fragen.
Konflikte um ihre Angebote aber gibt es weltweit. Die Stadt New York etwa hat bei Ubers Preisgestaltung eingegriffen und der Firma untersagt, in Katastrophenfällen wie dem Blizzard im vergangenen Winter die Preise beliebig anzuheben. Belgien hat den Service gleich ganz verboten. Auch in Berlin gab es eine einstweilige Verfügung gegen Uber.
Allerdings hat Uber von Investoren wie Goldman Sachs, Google Ventures und Amazon-Chef Jeff Bezos mittlerweile rund 1,5 Mrd. Dollar an Kapital eingesammelt. Man werde sich da nicht von irgendwelchen lokalen Autoritäten und Bürgermeistern das Geschäft verderben lassen, sagt der Europa-Chef von Uber, Pierre-Dimitri Gore-Coty. Uber bleibe in deutschen Großstädten aktiv – Verboten und Klagen zum Trotz. In Berlin etwa fährt Uber einfach weiter. CEO Travis Kalanick formuliert es so: „Wir befinden uns in einer politischen Kampagne. Der Kandidat ist Uber, der Gegenspieler ist ein Arschloch namens Taxi.“
Die Technologie funktioniert, das Geschäftsmodell funktioniert – und damit Letzteres auch so bleibt, schlägt nun die Stunde der Lobbyisten. „Wir brauchen Politiker, die stark genug sind, um Raum für Innovationen zu schaffen“, sagt Pierre-Dimitri Gore-Coty.
Die Firma hat dafür ein schlagkräftiges Public-Policy-Team aufgebaut, das weltweit Uber-freundliche Gesetze auf den Weg bringen soll. „Mittlerweile versuchen fast alle Start-ups, schnell erfolgreich zu werden, damit sie dann genug Geld für die Lobbyarbeit haben“, sagte Kevin Laws von Angellist, einem Portal, das Gründer und Investoren zusammenbringt. Geld besitzt Uber genug. In Brüssel hat die Firma etwa die Agentur Burson-Marsteller beauftragt, die seit 60 Jahren Lobbying und PR betreibt: 60 Berater hat die Firma ins EU-Lobbyregister eingetragen, Konzerne von Exxon Mobil bis Coca-Cola vertreten. „Sie haben sich über Jahrzehnte hinweg Kontakte aufgebaut“, sagt Olivier Hoedeman von der lobbykritischen Organisation Corporate Europe Observatory. „Parlamentarier und Kommissare kommen und gehen, aber Burson-Marsteller ist immer da.“
Auch der Airbnb-Mitgründer und -Vorstandschef Brian Chesky weiß, wie wichtig Lobbying nun für seine Firma wird: „Es ist ein enormes Risiko für Airbnb, wenn wir die Gesetze nicht managen können“, sagt er.
Noch einmal San Francisco: Dort befasst sich der Stadtrat derzeit mit einem Gesetzesentwurf, der Airbnb und andere Online-Übernachtungsfirmen legalisieren, aber auch regulieren würde. Airbnb wehrt sich nun gegen geplante Klauseln, etwa dagegen, ein öffentliches Register für Gastgeber einzurichten. Sie haben dabei einen Verbündeten: San Franciscos Bürgermeister Ed Lee. Die Firma weigerte sich etwa in den letzten Jahren einfach, Hotelsteuer zu erheben und abzuführen – obwohl die Finanzbehörde der Stadt entschieden hatte, dass die Airbnb-Gastgeber dem Fiskus die Steuern schuldeten. Bürgermeister Lee akzeptierte die Weigerung. „Uns war wichtig, einer Branche aus den Startlöchern zu helfen“, begründete er seine Hilfe.
Es ist Hilfe auf Gegenseitigkeit: Lees größter politischer Wohltäter ist Ron Conway, Risikokapitalgeber und Gründer der Investmentgesellschaft SV Angel. Conway hat Lee mit 600 000 Dollar bei seiner Wahl zum Bürgermeister unterstützt – aber vor allem gehört er zu den Investoren, die schon 2010 rund 7,2 Mio. Dollar in Airbnb investierten. Da freut man sich über politische Unterstützung.
Schon beim Entwurf des Gesetzes hat Airbnb eine aktive Rolle gespielt. Die Lokalzeitung „San Francisco Bay Guardian“ dokumentiert einen regen Mailwechsel, in dem ein Airbnb-Lobbyist dem Vorsitzenden des Stadtrats zahlreiche Vorschläge für die Formulierung des Gesetzes schickt. Wie viel davon übernommen wurde, wird sich zeigen, wenn der Stadtrat voraussichtlich in diesem Sommer über den Gesetzesentwurf entscheidet.
In Sachen Lobbying ist Airbnb auch in Europa aktiv: „Wir reden mit Gesetzgebern über die Art Gesetze, die wir für unser Geschäft und unsere Nutzer für angebracht halten – und die unser Wachstum ermöglichen“, sagt Patrick Robinson. Er ist Chef des europäischen Public-Policy-Teams von Airbnb. In jeder Stadt herrschen unterschiedliche Regelungen, die Airbnb einzeln angehen muss. Trotzdem sollte laut Robinson immer ein Grundsatz gelten: „Die Leute sollten das Heim, in dem sie leben, gelegentlich mit Gästen teilen dürfen.“ Dass bei vielen Gastgebern von „gelegentlich“ nicht die Rede sein kann, ist laut Robinson nicht Airbnbs Angelegenheit: „Wir sind eine offene Plattform, wir kontrollieren nicht alle gelisteten Immobilien.“
In letzter Zeit wurde Robinson für Aufklärungsgespräche zum Beispiel häufiger bei Londoner Politikern vorstellig. Es hat sich gelohnt. Die Stadt hatte den Bewohnern lange per Gesetz verboten, ihr Eigenheim auf Portalen wie Airbnb anzubieten. Die Regelung wurde kürzlich gekippt.
Airbnb rüstet sich
Airbnbs Deutschlandniederlassung hat in Berlin nahe dem Alexanderplatz eine schmucklose Fabriketage bezogen, alle Mitarbeiter teilen sich einen großen Raum, in dem sie an Laptops um ausladende Tische sitzen. Auch ein Public-Policy-Team gibt es hier. Karolina Schmidt ist für die wichtigen Märkte Deutschland, Österreich und Schweiz zuständig. Sehr viele Entscheider habe das Lobbying-Team zuletzt besucht, erzählt sie: Abgeordnete, Verbandsvertreter, Experten.
Denn die Stadt Berlin hat bereits im vergangenen Jahr auf die wachsende Zahl von Ferienwohnungen reagiert und das sogenannte „Zweckentfremdungsgesetz“ beschlossen. Es verbietet, reguläre Wohnungen einfach als Ferienimmobilien oder Büros zu vermieten. Das sei nicht im Sinne von Airbnb, sagt Karolina Schmidt. Im Moment beackert das Lobbying-Team deshalb die Berliner Bezirksämter: Das Gesetz bietet durchaus Spielraum bei der Auslegung einzelner Paragrafen.
In die Gespräche geht Airbnb gut gerüstet, unter anderem mit selbst erstellten Studien. 100 Mio. Euro brächten die Gäste aus dem Internet pro Jahr etwa der Stadt Berlin, schreibt Airbnb darin. Man locke jüngere Besucher, die länger blieben und mehr Geld ausgeben als klassische Hotelgäste. Wenn ein Airbnb-Gast zum Beispiel in Neukölln – laut Airbnb „außerhalb der klassischen Touristenregionen“ – eine Currywurst und eine kleine Portion Pommes kauft, hat Airbnb nach eigenem Ermessen 3,50 Euro zur Hauptstadtwirtschaft beigetragen.
Nicht jeder mag in diesen Jubel einstimmen. Etwa der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Naturgemäß steht er auf der anderen Seite des Gezerres um Wohnungen und Paragrafen. Auch er erhebt den Vorwurf, dass der Stadt durch die Ferienwohnungen Wohnraum entzogen würde. Auch er bekam Besuch von Airbnb. Bei den Treffen mit zwei Managern der Firma sei es „laut“ geworden, sagt er. Der Streit entzündete sich an einem Formular des Mietervereins, mit dem man illegal genutzte Wohnungen beim Bezirksamt melden kann. Denunziation sei das, habe Airbnb geklagt. „Die sehen ihr Geschäftsmodell in Gefahr“, sagt Wild, „aber ich sehe es nicht ein, warum Airbnb irgendwelche Sonderrechte erhalten sollte.“
Kunstrasen
Dabei ist die klassische Lobbyarbeit nicht einmal der längste Hebel, den die Start-ups ansetzen können, um ihre Ziele zu verfolgen. Am wichtigsten sind – ihre Nutzer.
Als zum Beispiel Uber begann, seinen Fahrdienst in Washington anzubieten, hatte die Firma die Öffentlichkeit schnell auf ihrer Seite – der Service in Washingtons Taxis gilt nicht als übermäßig gut. Die begeisterten Nutzer bedankten sich, indem sie Petitionen im Internet unterschrieben oder sich gleich in Stadtratssitzungen für die Firma starkmachten. Als Washingtons Taxifahrer Mitte Juni wie in vielen anderen Städten hupend demonstrierten und den Verkehr lahmlegten, war das ein PR-Punkt für Uber. Via Twitter prasselte ein Sturm der Entrüstung auf die Taxi-Branche herein: „DC Taxis protestieren gegen Uber. Wie wäre es damit, den eigenen Service zu verbessern, statt zu jammern?“, schrieb ein User.
Natalie Foster weiß, wie man Menschen aktiviert: Sie war eine Weile dafür verantwortlich, Barack Obamas Auftritt in der digitalen Welt zu managen, davor leitete sie politische Kampagnen. Heute ist sie Chefin einer „Mitglieder-getriebenen Organisation“, die „die Sharing-Economy-Bewegung unterstützt“ – so zumindest verkauft sich ihr Verein. Der Name: Peers. Peers hat weit über 200 000 Mitglieder, die sich über die Website peers.org und deren Twitter- und Facebook-Seiten vernetzen. Es sind Freiwillige, die sich für die Belange von Airbnb, Uber und Co. in den Kampf mit lokalen Behörden stürzen, Unterschriften sammeln und auf die Straße gehen.
Die Organisation gibt es erst ein gutes Jahr, sie ist schnell gewachsen und äußerst professionell. Was auch daran liegen könnte, dass Peers von einer auf Kampagnen spezialisierten Beratungsfirma geschaffen wurde. Der Auftrag dazu kam – von Airbnb. Einer der Gründer von Peers ist Community-Manager bei der Zimmervermittlung.
Der Auftritt von Peers wirkt wie der Auftritt einer Graswurzel-Bewegung – also einer Bewegung von „ganz unten“, aus breiten Schichten der Bevölkerung. Tatsächlich aber ist es nur bedingt eine. „Astroturfing“ nennt man in den USA diese Form der Öffentlichkeitsarbeit – nach dem Kunstrasen Astroturf. Es wird der Eindruck erweckt, dass sich Bürger von allein zu einer Graswurzelbewegung zusammenschließen – die tatsächlichen Geldgeber und Strippenzieher aber bleiben im Hintergrund.
Die Begeisterung ihrer Nutzer ist eine Ressource, die die Sharing-Economy-Firmen gern einsetzen, um ihre Ziele zu erreichen. Es bleibt ja auch weiter eine schöne Idee: teilen statt besitzen, die Ökonomie einer besseren Welt. Es gibt viele Fans der Sharing Economy, die sich dafür begeistern – und nebenbei gerne noch mit Fahren oder Vermieten ein wenig Geld verdienen.
Ende April rief David Owen, regionaler Public-Policy-Chef von Airbnb in San Francisco, Nutzer zu einer Demonstration vor dem Rathaus in San Francisco auf – sie sollten sich dort für Airbnb starkmachen. In seinem Aufruf klang er ein wenig, als würde er für den Weltfrieden trommeln.
Ein Marktkenner sagt dazu sarkastisch: „Das ist wie bei militärischen Auslandseinsätzen. Da sollte man auch nicht immer glauben, dass es um Menschenrechte geht – sondern eher um Bodenschätze.“